Am Freitag, den 21. Juni 2024, brach mitten in einer historischen Hitzewelle mit Temperaturen von bis zu 40 Grad Celsius das Stromnetz des Balkans zusammen — und mit ihm das Leben von Millionen Menschen. Um 12:09 MEZ löste ein Kurzschluss in der 400-kV-Leitung Ribarevine–Podgorica2 in Montenegro eine Kaskade aus, die binnen Sekunden Kroatien, Bosnien und Herzegowina und Albanien lahmlegte. Die Folgen: Verkehrskollaps, ausfallende Wasserversorgung, Notfälle in Krankenhäusern — und eine Region, die plötzlich erkannte, wie zerbrechlich ihr Energieverbund wirklich ist.

Die Kette des Zusammenbruchs

Es begann mit einem einfachen technischen Fehler: ein Kurzschluss in einer der wichtigsten Hochspannungsleitungen zwischen Montenegro und Bosnien und Herzegowina. Doch der wirkliche Grund für die Katastrophe war nicht der Kurzschluss allein — es war die Belastung. Die Hitzewelle trieb den Stromverbrauch in die Höhe, während gleichzeitig in Griechenland, besonders auf Kreta, zu viel Energie produziert wurde. Die Netze waren überlastet, bevor der erste Funke sprang.

Um 12:06 MEZ meldete die Überwachungseinheit in Belgrad eine Unterversorgung. Drei Minuten später brach die Leitung Ribarevine–Podgorica2. Innerhalb von 60 Sekunden kollabierte das gesamte System zwischen Bosnien und Herzegowina und Montenegro. Die ENTSO-E, die europäische Netzagentur, beschreibt in ihrem Final Report vom 25. Februar 2025 einen „kaskadenartigen Ausfall“: sobald eine Leitung überlastet wurde, übertrug sich die Last auf die nächste — wie ein Domino-Effekt im Stromnetz.

Was passierte in den betroffenen Ländern?

In Montenegro war der Ausfall total. Nur die Städte Pljevlja und Žabljak blieben versorgt. In der Hauptstadt Podgorica fiel auch die Wasserversorgung aus — weil die Pumpwerke ohne Strom nicht mehr funktionierten. Der Energieminister Sasa Mujovic sprach von einem „Überlastungsszenario durch die Hitze“. Doch laut dem Portal vijesti.me könnte auch ein Brand in einem Umspannwerk an der Grenze zu Bosnien und Herzegowina der Auslöser gewesen sein. Die Wahrheit? Beides könnte stimmen.

In Kroatien war die Lage besonders dramatisch an der Küste. In Dubrovnik, Split und Zadar sanken die Temperaturen auf 37 Grad — ohne Klimaanlagen, ohne Pumpen, ohne Licht. In Split kollabierte das Verkehrssystem. Ampeln erloschen, Autos blockierten Kreuzungen, Sirenen heulten. Die kroatische Fernsehanstalt HRT berichtete, dass die Stromversorgung erst nach über einer Stunde schrittweise wiederhergestellt wurde. Die Behörden machten Montenegro verantwortlich — mit Recht, denn das kroatische Netz ist eng mit dem montenegrinischen verknüpft.

In Bosnien und Herzegowina war das Chaos ähnlich. In Sarajevo, Banja Luka und Mostar waren alle Ampeln tot. Die Polizei musste den Verkehr manuell regeln. Krankenhäuser starteten Notstromaggregate — aber nicht alle hatten genug Treibstoff für mehr als zwei Stunden.

Albanien war das am schnellsten wiederhergestellte Land. Der Netzbetreiber OST erklärte, der Ausfall sei auf einen Defekt in den Hochspannungsleitungen zur griechischen Grenze zurückzuführen — verursacht durch die extreme Belastung. Nach nur 30 Minuten war der Strom wieder da. Doch für die Menschen, die in der Hitze auf der Straße standen, war das kaum Trost.

Warum wurde Serbien verschont?

Interessant: Serbien war der einzige Nachbar, der nicht betroffen war. Warum? Weil sein Netz technisch anders aufgebaut ist — und vor allem, weil es weniger eng mit den südlichen Balkan-Netzen verknüpft ist. Es ist ein Warnsignal: die Integration der Balkan-Stromnetze war ein politischer Erfolg, aber kein technischer. Die Infrastruktur ist veraltet, die Wartung unzureichend, die Kapazitäten überfordert — besonders bei Extremwetter.

Was kommt als Nächstes?

Die Europäische Kommission hat eine internationale Untersuchung angekündigt. Doch die ENTSO-E hat bereits ihren Final Report vom 25. Februar 2025 veröffentlicht — und er ist kein sanftes Papier. Er nennt klare Schwächen: fehlende Redundanzen, keine automatischen Lastabschaltungen, unzureichende Kommunikation zwischen den Netzbetreibern. Die EU wird Druck ausüben — aber wer zahlt die Milliarden für den Ausbau? Die Balkan-Staaten haben kaum Geld. Und die EU? Sie hat gerade andere Krisen zu bewältigen.

Was bleibt, wenn das Licht wieder an ist?

Dieser Blackout war kein Zufall. Er war vorhersehbar. Seit Jahren warnen Experten: die Balkan-Stromnetze sind wie ein altes Haus mit rostigen Leitungen — und jetzt hat ein Sturm die Dachziegel weggeblasen. Die Hitzewelle war nur der Anlass. Die Wahrheit ist: wir haben ein System, das nicht für das 21. Jahrhundert gebaut wurde — und das wird nicht das letzte Mal passieren.

Frequently Asked Questions

Warum ist Serbien vom Stromausfall verschont geblieben?

Serbien blieb verschont, weil sein Stromnetz weniger eng mit den südlichen Balkan-Netzen verknüpft ist und über eine eigene, stabilere Struktur verfügt. Während Montenegro, Kroatien und Bosnien-Herzegowina auf eine gemeinsame, veraltete Hochspannungsverbindung angewiesen waren, hat Serbien mehrere unabhängige Verbindungen zur EU und zu Nordmazedonien, die eine Überlastung abfedern konnten.

Welche Rolle spielte die Hitzewelle beim Ausfall?

Die Hitzewelle mit Temperaturen bis 40 Grad erhöhte den Stromverbrauch um bis zu 40 Prozent in Küstenregionen wie Kroatien und Montenegro. Klimaanlagen, Wasserpumpen und Kühlung für Lebensmittelketten belasteten das Netz massiv. Ohne diese zusätzliche Last hätte der Kurzschluss möglicherweise nur lokal gefolgt — nicht zu einem kontinentalen Blackout.

Wie lange dauerte die Wiederherstellung der Stromversorgung?

In Albanien kehrte der Strom nach etwa 30 Minuten zurück, in Kroatien nach etwas mehr als einer Stunde, in Montenegro und Bosnien-Herzegowina dauerte es bis zu zwei Stunden, da die Infrastruktur schwerer beschädigt war. In einigen ländlichen Gebieten blieb der Strom sogar über Nacht aus — besonders in Gebieten, wo Notstromaggregate fehlten oder nicht genug Treibstoff vorhanden war.

Warum gab es so viele unterschiedliche Erklärungen für die Ursache?

Weil die Ursache komplex war: ein Kurzschluss in Montenegro löste die Kaskade aus, aber die Überlastung durch Hitzewelle und ungleiche Stromverteilung machten den Ausfall unvermeidlich. Ein Brand in einem Umspannwerk könnte die Endstufe beschleunigt haben. Die unterschiedlichen Erklärungen der Netzbetreiber spiegeln oft politische Verantwortungsvermeidung wider — nicht technische Unklarheit.

Was bedeutet das für Touristen an der kroatischen Küste?

Für Touristen bedeutet das: bei Hitzeperioden ist das Risiko eines Stromausfalls hoch, besonders in beliebten Orten wie Split oder Dubrovnik. Hotels haben zwar Notstrom, aber viele Restaurants, Apotheken und Buslinien nicht. Reisende sollten immer eine Powerbank, Wasser und eine Taschenlampe dabei haben — und sich nicht auf perfekte Infrastruktur verlassen.

Wird so ein Blackout wieder passieren?

Ohne massive Investitionen in Modernisierung, Speicherlösungen und grenzüberschreitende Koordination wird es sehr wahrscheinlich wieder passieren. Die ENTSO-E warnt bereits: die Balkan-Stromnetze gehören zu den am wenigsten resilienten in Europa. Mit Klimawandel und steigendem Energiebedarf wird die Belastung weiter wachsen — und die Systeme sind nicht darauf vorbereitet.