Ein Pitch, der brennt – und trotzdem Chancen weckt

Zwei Minuten erhitzen, fertig ist die Suppe – so simpel klingt das Versprechen von „Miss Mineva’s“. Im Studio von Die Höhle der Löwen wurde diese Einfachheit aber sofort zum Stresstest. Gründerin Minever Zevker bot den Investorinnen und Investoren ein Pulver ohne Zusatzstoffe an, gemixt aus Hülsenfrüchten, Gemüse, Kräutern und Gewürzen. Angerührt in kaltem Wasser, zwei Minuten erhitzt – eine schnelle, „saubere“ Mahlzeit für den Alltag.

Für 200.000 Euro wollte Zevker 10 Prozent abgeben. Das impliziert eine Firmenbewertung von rund zwei Millionen Euro. Eine selbstbewusste Marke, eine klare Idee, aber: Bei Food entscheidet der Löffel. Und der Löffel sprach zunächst gegen die Gründerin.

Die Kürbisvariante schmeckte manchen zu wenig nach Kürbis. Judith Williams konterte beim Griff zur Tomatensuppe mit einem trockenen „Wie viel Tomate ist in der Tomatensuppe?“ – ein Satz, der die Stimmung auf den Punkt brachte. Dagmar Wöhrl hakte knallhart nach, warum die Bewertung bei überschaubaren Umsätzen so hoch liege. „Wie kommen Sie auf diese wirklich horrende Bewertung?“, fragte sie – und legte beim Geschmack nach: „Es hat mir gar nicht gut geschmeckt.“

Ralf Dümmel, sonst oft der Verbündete von Food-Startups mit Handels-Power, erkannte zwar die Energie der Gründerin („Das haut mich total um“, sagte er lachend über ihren Einsatz), blieb aber beim Kernproblem: „Ich habe ein Problem: Es schmeckt mir nicht so gut.“ Wer Dümmel kennt, weiß: Ohne Geschmack kein Regalplatz.

Und dann passierte das, was Live-Pitches so spannend macht: Der Wind drehte. Judith Williams, die längst ein Gespür für Konsumprodukte im Massenmarkt hat, sah plötzlich eine Chance. „Irgendwie habe ich das Gefühl, das könnte groß werden“, sagte sie – und holte Frank Thelen ins Boot. Beide machten ein Gegenangebot: 200.000 Euro, aber für 30 Prozent. Das drückt die Bewertung auf etwa 670.000 Euro – deutlich unter dem Wunsch der Gründerin, aber mit zwei starken Namen an ihrer Seite.

Geschmack vs. Bewertung: Was Food-Startups aus diesem Pitch lernen

Geschmack vs. Bewertung: Was Food-Startups aus diesem Pitch lernen

Dieser Auftritt erzählt viel über die Mechanik in Food-Pitches. Erstens: Ohne Sensorik geht gar nichts. Ein Produkt kann noch so „clean“ formuliert sein – wenn Aroma, Textur und Mundgefühl nicht sitzen, kippt die Diskussion sofort. Vor allem bei Suppen, die jeder seit Kindertagen kennt und sehr klar im Kopf schmeckt. Hier helfen nur konsequente Rezepturtests, Blindverkostungen, fein abgestimmte Gewürzprofile und, ja, manchmal auch mehr Hauptzutat pro Sorte.

Zweitens: Die Zahlen müssen mit dem Status des Produkts zusammenpassen. 200.000 Euro für 10 Prozent – das sind rund zwei Millionen Euro Bewertung. Bei niedrigen Umsätzen wirkt das ambitioniert. Investoren suchen dann klare Belege für Traktion: Wiederkaufraten, stabile Margen, gute Produktionskosten, starke Testergebnisse. Fehlt das, wird herunterverhandelt. Das Williams/Thelen-Angebot für 30 Prozent verschiebt die Machtverhältnisse – weniger Bewertung, dafür Know-how und Reichweite.

Drittens: Beharrlichkeit kann wirken. Zevker ließ sich nicht entmutigen, legte weitere Sorten vor und zeigte Breite im Sortiment. Das nervt manche, überzeugt andere. Williams nahm genau diese Energie als Indikator, dass hier jemand brennt. In einem Markt, der von Routinen lebt, kann das den Unterschied machen.

Ein Blick auf den Markt: Trockensuppen und Instant-Mahlzeiten sind in Deutschland stark besetzt. Platzhirsche definieren Geschmack und Preisanker, der Handel ist preissensibel. Wer als Newcomer reinwill, muss entweder geschmacklich deutlich besser sein, eine spürbar gesündere Alternative bieten – oder beides. „Clean Label“ ist ein Trend, aber kein Freifahrtschein. Der Kompromiss aus natürlicher Rezeptur und vollmundigem Geschmack ist die eigentliche Kunst.

Für „Miss Mineva’s“ ist der Weg jetzt klar – aber nicht leicht. Rezepturen nachschärfen, Zielgruppe schärfen, Vertrieb klug wählen. Direktvertrieb kann Feedback liefern und Marge sichern, Handel bringt Reichweite und Tempo, frisst aber Listungsgebühren und fordert Marketingdruck. Williams steht für Markenaufbau und Storytelling, Thelen für Skalierung und digitale Prozesse. Diese Kombination ist selten im Food-Bereich – und kann bei einer Pulver-Suppe, die Produktion und Lagerung vereinfachen, ein echter Hebel sein.

Die spannendsten offenen Punkte liegen in den Details:

  • Sensorik: Wie nah kommt die Kürbissuppe an „echten“ Kürbis? Kann die Tomate runder, fruchtiger, würziger? Kleinste Justierungen bei Salz, Säure und Textur entscheiden.
  • Kosten und Preis: Pulver spart Logistik und Haltbarkeit, aber wie sieht der Kostenblock pro Portion aus? Der Preis muss gefühlt stimmen – gegen den Regal-Referenzpreis der großen Marken.
  • Produktion: Konstante Qualität bei Gewürzmischungen ist tricky. Skalierung darf den Geschmack nicht verwässern.
  • Positionierung: Schnell, natürlich, alltagstauglich – das ist die Botschaft. Aber für wen genau? Büro, Uni, Fitness – oder Familienküche? Je schärfer die Zielgruppe, desto klarer die Produktentwicklung.

Interessant ist auch die Dynamik unter den Investoren. Dümmel, der König der Handelslistung, blieb draußen – der Geschmack war sein Stoppschild. Williams wiederum setzt auf Marke und Gefühl, Thelen auf Skalierbarkeit. Dass beide gemeinsam einsteigen wollen, ist ein Signal: Sie glauben an die Story – wenn die Suppe nachzieht.

Am Ende zeigt dieser Pitch, wie hart Food sein kann. Ein kleiner Löffel entscheidet über große Zahlen. Zevker lieferte den Mut, mehr Proben auf den Tisch zu stellen, als die Kritik am lautesten war. Das brachte ihr ein Angebot ein – zu anderen Konditionen, aber mit einer realistischen Chance auf einen Neustart der Rezepturen.

Ob „Miss Mineva’s“ das Versprechen „natürlich, schnell, lecker“ in allen Sorten einlösen kann, muss jetzt die Praxis beweisen: in der Testküche, beim Kunden und – wenn es klappt – irgendwann an der Kasse im Handel. Der Pitch hat die Schwächen offengelegt, aber auch gezeigt, dass an der Grundidee etwas dran ist. Ein sauberer Mix, zwei Minuten Zeit, ein Löffel – mehr braucht es nicht, um zu gewinnen. Oder zu verlieren.